Der österreichische Kavalleriestutzen M 1789


Geschichte


Text Udo Lander

Österreich schielt nach Preußen

Die preußischen Husarenregimenter erhielten ab 1787 eine neu, gezogene Feuerwaffe. Diese neue Husarenbüchse M 1787 blieb natürlich auch im Ausland nicht unbemerkt, schon gar nicht in Österreich, welches zu Zeiten des Siebenjährigen Krieges genügend negative Erfahrungen mit der preußischen Bewaffnung und deren gekonnter, vor allem disziplinierter Anwendung gemacht hatte.

Schon knapp ein Jahr nach Einführung der Husarenbüchse 1787 in Preußen regte Österreichs Kaiser Joseph II. im Jahr 1788 an, nach Möglichkeit auch in der österreichischen Kavallerie Scharfschützen mit gezogenen Feuerwaffen nach preußischem Vorbild auszustatten.

Tatsächlich hat Österreich bereits 1789 eine fast exakte Kopie des preußischen Vorbilds fertigen lassen und eingeführt. Allerdings waren es in der österreichischen Kavallerie nicht die Husaren, die in den Genuss des gezogenen Laufs kamen, sondern die Kürassiere. Je sechs Mann pro Eskadron erhielten die neue Waffe.

Erstaunlicher Vergleich

Legt man beide Waffen nebeneinander und vergleicht man das österreichische Pendant mit der preußischen Husarenbüchse, so fällt die erstaunliche Übereinstimmung zwischen den beiden Waffen sofort auf:

Die jeweilige Form des Laufs, dessen Kaliber, die Anzahl der Züge und seine Länge, die Gestaltung des Vorderschafts mit der abgeflachten Unterseite, die Breite des Vorderschaftbandes, die Gesamtlänge der Waffen, die Befestigung des Laufs am Schaft, alles ist mit geringsten Toleranzen gleichartig. Insbesondere aber der Abzugsbügel der österreichischen Waffe könnte ebenso gut aus preußischer Produktion stammen – es gibt praktisch keinen Unterschied, auch nicht bei den Verzierungen vorne und am Ende. Einzig die Gestaltung der Sattelstange und des Kolbens ist unterschiedlich. Während der Kolben des österreichischen Stutzens mit einem Kolbenfach und hölzernem Schuber ausgestattet ist, fehlt dieses Detail bei der preußischen Büchse.

Nicht normgerechte Produktion

Ganz offensichtlich sind die österreichischen Stutzen, so ist, soweit vorhanden, deren Laufbeschriftungen zu entnehmen, nicht an zentraler Stelle, sondern bei unterschiedlichen zivilen Büchsenmachern gefertigt worden. So findet man die meist kursiv ausgeführten Signaturen der Büchsenmacher Recknagel oder Schemezler aus Wiener Neustadt, aber auch, wie bei dem hier vorgestellten Stutzen, die Signatur des Büchsenmachers Veith Sittauer aus Wien.

Als schließlich im Jahre 1798 für die österreichische Armee ein völlig neues Waffensystem, eben das System 1798 eingeführt wurde, blieben die schon längst eingeführten Stutzen von Änderungen unbehelligt. Im Gegenteil, die Anzahl der keineswegs der neuen Systematik entsprechenden Stutzen wurden nun von sechs auf acht Mann pro Eskadron erhöht, da „bey den kurzen Cavallerie-Stutzen, man schon vor mehreren Jahren.... für nützlich befunden“... hat.....“um damit bey gewissen Gelegenheiten weiter und gewisser als mit dem gewöhnlichen Carabiner schießen könne.“ Im Jahre 1829 schließlich bezeichnete der Oberdirektor der k.k. Gewehrfabrik in Wien, Beroaldo-Bianchini, den Kavalleriestutzen „als sehr irregulär construiert“, also nicht dem damals gültigen Ordonnanzmuster 1798 entsprechend und schlug vor, für den Fall, dass „man diese Art Stutzen noch ferner beybehalten“ wolle, diese doch „der Einfachheit halber aus den vorrätigen Bestandteilen der anderen Gewehre“ zu fertigen.

Dieser Vorschlag wurde offensichtlich in die Tat umgesetzt, denn die nach 1829 dann in der Gewehrfabrik Wien gefertigten Kavalleriestutzen erhielten neben den gängigen 1798er-Beschlagteilen auch Schlösser mit gerundeten Schlossblechen, wie diese auch bei der Kavalleriepistole 1828 Verwendung fanden. Allerdings sind heute Kavalleriestutzen dieser späteren Version in der originalen Steinschlossausführung enorm selten – bis heute ist nur ein einziges Exemplar bekannt geworden!

Veränderungen

Eine weitere, erwähnenswerte Version des österreichischen Kavalleriestutzens 1789 bezieht sich auf eine Variante mit nachträglich angebrachtem Ladestock. Diese nach Aktenlage des österreichischen Kriegsarchivs offensichtlich häufige Änderung wurde zwischen 1825 und 1845 von den Regimentsbüchsenmachern wahrscheinlich nach Maßgabe durch die Regiments- oder Eskadronschefs durchgeführt. An der Art und Weise, wie der Ladestock, die Nut und das einzelne Röhrchen angebracht wurden, kann man eindeutig erkennen, dass es sich hier nicht um eine zivile Bastelei späterer Zeit, sondern tatsächlich um eine militärische Ausführung handelt. Hintergrund für diese Maßnahme war vermutlich das häufige Verlieren des Bandelierladestocks im Eifer des Gefechts.

Die gleichzeitige Existenz der beiden doch sehr deutlich übereinstimmenden Kavalleriewaffen, die preußische Husarenbüchse 1787 und der österreichische Kavalleriestutzen 1789 belegen nachdrücklich zwei Dinge:

Zum einen konnte auch am Ende des 18. Jahrhunderts keine militärische Entwicklung, nicht einmal für längere Zeit und schon gar nicht auf dem Waffensektor, geheim bleiben. Militärspionage hat auch schon damals hervorragend funktioniert.

Zum andern aber belegt es auch, dass man sich in Preußen ebenso wie in Österreich eifrigst darum bemühte, nach dem Vorbild der Jägertruppen oder Schützen der Infanterie unbedingt auch bei der Reiterei die neu aufgekommene taktische Möglichkeit zum zerstreuten Gefecht zu nutzen, wozu nun einmal gezogene Handfeuerwaffen für den gezielten Schuss unerlässlich waren.



Geschichte Techn. Daten Bestempelung Literatur Zum Anfang