Die französische Gendarmeriepistole M an 9


Geschichte


Die französische Gendarmeriepistole M an 9

Text Udo Lander

Tapferkeit und Disziplin

Die französische Gendarmerie unterstand ursprünglich nicht dem Kriegsministerium in Paris, sondern operierte unter der Zuständigkeit der Marschälle von Frankreich. Daraus erklärt sich sowohl die Herkunft der Bezeichnung „Maréchaussée“, wie die französische Gendarmerie bis 1791 genannt wurde, als auch der militärische Charakter dieser Truppe. Dieses Unterstellungsverhältnis blieb aufrecht erhalten bis ins Revolutionsjahr 1791. Im Februar dieses Jahres formierte sich die Maréchaussée unter der Zuständigkeit des Kriegsministeriums und führte von nun an entsprechend der neuen Regierungsform die Bezeichnung „Gendarmerie Nationale“. „Tapferkeit und Disziplin“ lautete die Devise des neuen Korps. Es war eingeteilt in 28 Divisionen und in jedem der 83 französischen Départements taten drei Kompanien Gendarmerie Dienst. Insgesamt waren dies 1600 Brigaden zu Pferd und zu Fuß, die sich jeweils aus einem Unteroffizier und fünf Gendarmen zusammensetzten.
Die Personalstärke der Gendarmerie Nationale belief sich im Jahr 1791 auf 7500 Mann, 1794 auf 8400 Mann, erhöhte sich im Laufe des Jahres 6 infolge einer Umstrukturierung auf 10500 Mann und erreichte mit 15600 Mann im Jahr 9 ihren Höchststand. Mit der Kaiserkrönung Napoleon Bonapartes avancierte die Truppe zur „Gendarmerie Impériale“, die aus 27 Legionen bestand, welche in 55 Eskadrons à 2 Kompanien eingeteilt war. Daraus formierten sich 2500 Brigaden, die in allen französischen Départements mit Ausnahme Korsikas Dienst taten. Für Napoleon war diese Gendarmerietruppe nicht nur ein Mittel zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Land, sondern auch eine hervorragende Quelle zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Stimmung in der Bevölkerung und über wie auch immer geartete, politische Aktivitäten seiner Gegner im eigenen Land.

Parallel zur Gendarmerie Impériale wurde unter Napoleon I. zusätzlich noch ein Elitekontingent errichtet, das als „Gendarmerie de la Garde Impériale“ zu den Gardetruppen zählte. Diese Elitegendarmerie umfasste 720 Mann, die in zwei Eskadrons à vier Kompanien mit zusammen 480 Berittenen und zwei Kompanien mit 240 Fußgendarmen organisiert war.

Während der Restaurationszeit wechselte sich das Prädikat in „Gendarmerie Royale“, deren Stärke aber 1820 aufgrund eines Ordonnanzbefehls auf etwa 14400 Mann reduziert wurde. Ab 1830 erhielt die Gendarmerie das Prädikat „“départementale“ und mit Beginn des zweiten Kaiserreichs nochmals das Prädikat „Impériale“.

Die Faustfeuerwaffe der Gendarmerie

Schon im Jahre 1777 hatte man für die Handfeuerwaffen der französischen Armee ein in Details verändertes, modernisiertes Steinschloss-System eingeführt, dessen Pfanne zum erstenmal aus gegossenem Messing gefertigt war.

Man hatte erkannt, daß in einer entsprechenden Form gegossene Pulverpfannen im Hinblick auf rationellere Fertigung einen wesentlichen Fortschritt darstellten, zumal man bis zu diesem Zeitpunkt die Eisenpfannen des Systems M 1763/66 in teils mühevoller Handarbeit und unter Zuhilfenahme von Gesenkschmiedeformen sowie unterschiedlichsten Messlehren gefeilt hatte. Darüber hinaus hatte sich in entsprechenden Versuchsreihen herausgestellt, daß die Messingpfannen gegenüber den aggressiven Verbrennungsrückständen und den hohen Temperaturen des verbrennenden Schwarzpulvers weit widerstandsfähiger und indifferenter waren, als die bisher verwendeten Eisenpfannen, deren Lebensdauer meist nur sehr kurz war

Auch war sicherlich ein Wandel im Stilempfinden der damaligen Zeit nicht ganz unbeteiligt an der Abänderung des alten, etwas barock ausgeführten Schloss-Systems. Klare, nicht mehr mit unnötigen Schnörkeln versehene Linien des neuen Schlosses M an 9 kamen dem Zeitgeschmack sicherlich mehr entgegen, zumal es sich bei diesen Waffen ja eindeutig um Militärrequisiten handelte, die nicht schön, sondern kostengünstig und praktisch sein mussten.

Gendarmeriepistole M an 9

Bei der hier vorgestellten Waffe handelt es sich um die konsequente Weiterentwicklung der Maréchaussée-Pistole M 1770, deren Form im Großen und Ganzen beibehalten worden ist. Der Hauptunterschied zum Vorgängermuster liegt im Schloss und in den etwas stabiler ausgeführten Beschlagteilen.

Im Gegensatz zum alten Schlosstyp M 1770, welcher flach mit abgeschrägten Kanten gearbeitet war, ist das neue Schloss M an 9 am Schlossblech links vom Hahn und der Hahn an sich gewölbt gearbeitet und hat die bereits erwähnte, gegossene Messingpfanne. Darüber hinaus verlor der Fuß der Batterie seinen nach oben gerichteten Schnörkel. Auch der vormals runde, nur seitlich flach geschliffene Lauf der Pistole M 1770 wurde durch einen Lauf ersetzt, der am Pulversack kantig gearbeitet war. Wesentlich zu wissen ist darüber hinaus, daß dieser Waffentyp ausschließlich in der Manufaktur Maubeuge gefertigt wurde. Von 1802 bis 1819 produzierte man dort insgesamt 32.000 Paare, wobei alleine im letzten Jahr der Fertigung 1.970 Paare entstanden sind.

Anzumerken ist, daß als Folge der chaotischen Verhältnisse in den Anfangszeiten der Revolution manches Stück gefertigt wurde, das nur sehr schwer als Gendarmeriepistole definiert werden kann, da oft jegliche Signatur oder andere Hinweise auf den Hersteller fehlen. Manchmal sind diese Pistolen, wenn überhaupt, mit dem Revolutionssymbol, der Jakobinermütze gezeichnet. Als weitere Erschwernis kommt hinzu, daß oft auch völlig systemfremde Teile von verschiedensten Waffen zu einem Stück zusammengebaut wurden. Selbst die Dimensionen wurden wahllos festgelegt und die Übergänge zwischen Gendarmerie- Infanterieoffizier- und Kavalleriepistolen wurden zunehmend fließend, so daß eine Identifizierung dieser Waffen hinsichtlich ihrer Verwendung und Herstellungszeit in den meisten Fällen unmöglich ist.

Bei den gemäß den Ordonnanzbestimmungen ausgeführten Modellen hingegen ist eine zeitmäßige Zuordnung leicht möglich: Zum einen ist bei vielen, wenn auch nicht bei allen Pistolen das Baujahr auf dem Lauf eingeschlagen und die Modellbezeichnung M an 9 steht auf dem Schwanzschraubenblatt. Vor allem aber kann die Signatur auf dem Schlossblech zur zeitmäßigen Einordnung der betreffenden Pistole herangezogen werden. So gravierte man – nach Rückkehr zu einer normalisierten, ordonnanzmäßigen Fertigung - von 1802 bis 1805 entsprechend der Regierungsform „Maubeuge, Manufacture Nationale“, von 1805 bis 1815 „Maubeuge, Manufacture Impériale“ und ab 1815 bis 1819 „Maubeuge, Manufacture Royale“.

Die geringen Abmessungen und dadurch ihre Handlichkeit machten die Gendarmeriepistole M an 9 sehr beliebt. Viele Offiziere der Infanterie beschafften sich diese Pistolen und trugen sie in den Rockschößen als Taschenwaffen für den Notfall.

Die Fertigung der hier vorgestellten Pistole ist gemäß der Stempelungen auf die Jahre von 1802-1805 zu datieren. Die Deutung der Zahl „1823“ auf dem Lauf ist unklar.

Auslandsfertigungen

Das Feuerwaffensystem M an 9 konnte sich innerhalb kürzester Zeit im gesamten französischen Machtbereich durchsetzen. Auslösendes Moment dafür war sicherlich nicht nur die gegenüber den alten Mustern weitaus einfacher zu bewerkstelligende Produktion oder napoleonischer Rigorismus, sondern auch der Nimbus des Erfolgs, den sich diese Waffen in den Händen der französischen Revolutionssoldaten errungen hatten. So ist es nicht verwunderlich, daß dieses Feuerwaffensystem auch außerhalb des französischen Staates überall dort Nachahmung fand, wo die Beziehungen zu Frankreich dies forderten oder wünschenswert erscheinen ließen. Dies galt selbstverständlich auch für den Sektor der kleinen Gendarmeriepistolen, die in mehreren außerfranzösischen Waffenzentren wie Schmalkalden, Essen, Suhl, Brescia oder Turin gefertigt wurden, wenngleich man sich bei der Produktion dieser Modelle nicht sklavisch an die französischen Vorgaben gehalten hat.


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