Die holländische Pistole M 1807 der schweren Reiterei aus der Manufaktur Kulenburg


Geschichte


Text: Udo Lander

Die Manufaktur Kulenburg

Die Kulenburger Fabrik, deren Produktion nahezu ausschließlich für die holländische Armee bestimmt war, ist 1759 als privates Unternehmen und auf Veranlassung von Willem V. Prinz von Oranien-Nassau und Statthalter von Holland gegründet worden, in dessen Herrschaftsbereich das Städtchen Kulemborg lag.

Im Jahr 1795 begann mit der Errichtung der von Frankreich kontrollierten „Batavischen Republik“ die Zeit der französischen Besatzung Hollands. Zu Beginn des Jahres 1798 beschlagnahmte diese neue Regierung den kompletten Besitz des Hauses Oranje-Nassau, wodurch auch die Gewehrfabrik Kulenburg für den Statthalter Willem V. verloren ging. Er floh mit seiner Familie nach England und in der Folge wechselte auch die Leitung der Waffenfabrik.

Neue Besen.....

Am 15. Juni 1798 unterzeichnete der Bürger David Maritz einen Vertrag mit dem neuen Regime, demzufolge er die Leitung der Waffenfabrik Kulenburg ab 1. Januar 1799 übernahm. Der Vertrag sah eine Beschäftigungsdauer von Maritz bis 31. Dezember 1814 bei einer Jahresmiete von 1600 Gulden vor. David Maritz stammte aus Genf, war Büchsenmacher und Goldschmied und hatte sich vertraglich verpflichtet, jährlich 5.000 Feuerwaffen für die Armee der Batavischen Republik zu liefern. Er sollte dafür vierteljährlich 12-14.000 Gulden als Vorauszahlung erhalten, die dann mit den Waffenlieferungen zu verrechnen waren. Im Gegenzug verpflichtete sich die Batavische Republik, alle für das Militär benötigten Feuerwaffen, Gewehre, Karabiner, Jägerbüchsen und Pistolen ausschließlich von Kulenburg zu beziehen.

Da die niederländische Kavallerietruppe zu Beginn der Batavischen Republik nur aus zwei schweren und zwei leichten Reiterregimentern bestand - zwei Karabiniers-Regimenter als schwere Kavallerie und ein Dragoner- sowie ein Husaren-Regiment als leichte Kavallerie - war die Maritz’sche Gesamtproduktion an Pistolen für diese wenigen Einheiten naturgemäß auch recht gering. Dies und der natürliche Verlust im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte ist wohl ursächlich dafür, dass heute nur noch wenige dieser Stücke existieren.

Probleme und Veränderungen

Da Maritz die quantitative Verpflichtung aus seinem Vertrag nie einhalten konnte, gab die Regierung der Batavischen Republik im Jahre 1803 zusätzlich 12.000 Waffen bei der Manufacture Nationale d’Armes de Guerre de Liège von Jean Jacques Gousin in Lüttich in Auftrag. Soziale Spannungen innerhalb der Belegschaft der Manufaktur wegen zu wenig Arbeit und nicht erfüllter Lohnforderungen besserten sich auch nicht, als die Batavische Republik im Jahre 1806 unter dem Druck Napoleons aufgelöst und des Kaisers Bruder Louis Napoleon den Thron des neuen Königreiches Holland bestieg.

Die Änderung der Regierungsform ging einher mit einer Neuaufstellung der holländischen Kavallerie, der zufolge zusätzlich ein schweres Garde-Reiter-Regiment errichtet wurde, welches natürlich auch mit entsprechender Bewaffnung ausgestattet werden musste. Gleichzeitig begann die allmähliche Übernahme französischer Standards für die holländischen Militär-Feuerwaffen, d.h. es entstanden in der Manufaktur Kulenburg Gewehre, Karabiner und Pistolen, die sich sehr an den französischen Vorbildern M 1777 und M an 9 orientierten.

Kavalleriepistole M 1807 für die schwere Kavallerie

Insbesondere für die neu aufgestellten Einheiten der Kavallerie, wahrscheinlich sogar für das neu aufgestellte schwere Garde-Reiter-Regiment wurde in Kulenburg unter Maritz’ Leitung ein Karabiner und die hier vorgestellte Pistole gefertigt. Diese beiden Waffen zeigen eindeutig französisch beeinflusste Stilmerkmale, wurden also wahrscheinlich erst nach dem Regierungswechsel 1806 gefertigt, weswegen es sinnvoll erscheint, diese neuen Waffen bis zu einer endgültigen Klärung der Entstehungshintergründe als M 1807 anzusprechen.

Da die holländische Belegschaft der Manufaktur aber offenbar nicht zahlreich genug war, die anstehenden Aufträge in der Größenordnung von u.a. 4000 Gewehren M 1777/an9 in der gebotenen Eile auszuführen, beorderte die neue Regierung zum Entsetzen der ansässigen Arbeiter im August 1807 zusätzlich belgische Fachleute in die Fabrik.

Die äußere Gestaltung der beeindruckenden und sehr auffälligen Pistole M 1807, die sowohl in der Gewehrfabrik Kulenburg, als auch in etwas abgewandelter Form von Lambertus Michaelis Thone in Amsterdam gefertigt wurde, erinnert mit ihren zwei Laufringen und der charakteristischen Kolbenform in starkem Maße an die von vielen Sammlern wegen ihrer enormen Seltenheit sehr hoch geschätzten, französischen Kavalleriepistole M 1763 in der ungekürzten 1. Version. Allerdings kann man doch deutliche Unterschiede zwischen den beiden Pistolen vor allem bei den Dimensionen und der Schlossform feststellen.

Wie die von der leichten holländischen Kavallerie geführte und ebenfalls in Kulenburg produzierte Pistole M 1799 besaß auch die Pistole der schweren Kavallerie keinen Ladestock an der Waffe. Dies dürfte auf österreichischen Einfluss und entsprechende Reglements zurückzuführen sein, dem die Armee der ehemals österreichischen Niederlande bis 1794 unterworfen waren. Der zur Pistole gehörende Ladestock wurde, soweit dies zeitgenössische Uniformdarstellungen zeigen, in einer ledernen Schlaufe des Kartuschbandeliers vorne auf der Brust getragen.

Maritz wirft das Handtuch................

Durch die Einstellung von Fachkräften aus Lüttich hatte sich das Arbeitsklima innerhalb der Belegschaft der Gewehrfabrik dermaßen verschlechtert, dass David Maritz keinerlei Möglichkeit mehr sah, seinen vertraglichen Verpflichtungen auch nur annähernd nachzukommen. Er trat von seinem Posten am 6. Januar 1809 zurück und überließ die Leitung der Fabrik dem bisherigen Werkleiter Joseph Devillers. Aber auch dies alles änderte nichts an den unguten Zuständen in der Fabrik.

Für die in Kulenburg gefertigten Waffen aber bedeutete dies, dass ab Januar 1809 keine von David Maritz signierten Waffen mehr die Manufaktur verlassen haben dürften.

Als das Königreich Holland im Juli 1810 aufgelöst und Napoleon ganz Holland dem französischen Staatsgebiet einverleibte, wurde die Manufaktur Kulenburg ein Teil der französischen Waffenindustrie und signierte ab sofort bis zu ihrem Ende auf den Schlossblechen der von ihr produzierten Waffen „Manufacture Impériale de Culembourg“. Eine entsprechend signierte Pistole M 1807 ist in der Literatur nachgewiesen, woraus folgt, dass die Pistole M 1807 zumindest noch 1810 gefertigt wurde und ihre Produktion wahrscheinlich erst mit der endgültigen Auflösung der Manufaktur durch Napoleon im Jahr 1812 eingestellt wurde.


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