Die französische Pistole der Garde du Corps, 1. Modell 1814


Geschichte


Text: Udo Lander

Nach dem Herbstfeldzug von 1813, der mit der Völkerschlacht bei Leipzig für das napoleonische Imperium einem Erdbeben gleichkam, standen die alliierten Truppen in Paris. Während sich Napoleon im April 1814 in Fontainebleau theatralisch von seiner Garde verabschiedete, hängten bonapartistische Marschälle von Frankreich ihr Mäntelchen nach dem Wind, der eben den Bourbonen Louis XVIII. aus England herübergeweht hatte. Die Französische Revolution schien nie stattgefunden zu haben und Frankreich begann wieder im Glanz einer Bourbonenmonarchie zu erstrahlen.


Errichtung der Garde du Corps

Die von Louis XVIII. schon am 25. Mai 1814 befohlene Organisation einer neu aufzustellenden Haustruppen sah unter anderem sechs Kompanien Garde du Corps vor, die jeweils eine Stärke von 57 Offizieren, 360 Mannschaften, 60 Überzählige und einen Stab von 28 Mann, was einer Kompaniestärke von 445 Mann oder einer Gesamtstärke von 2.670 Mann entsprach.

Die neue Truppe erhielt eine prächtige Uniform für den täglichen und Paradedienst. Darüber hinaus war geplant, ihr eine wahrlich als prächtig zu bezeichnende und speziell für die entwickelte Bewaffnung zukommen zu lassen, die pro Mann aus Säbel, Karabiner und einem Paar Pistolen bestehen sollte. Mit dem Entwurf und der Konstruktion dieser Waffen sind die Fachleute Pierre Bouny und Jean Nicolas Cazamajou noch im Mai 1814 beauftragt worden. Beide waren vorher in der Manufaktur von Versailles als Kontrolleure tätig, deren Leiter und künstlerischer Direktor Frankreich berühmtester Büchsenmacher Nicolas Noel Boutet war. Der von ihm propagierte Stil in der Ausarbeitung und Formgebung seiner Schöpfungen hat das Waffendesign und die Qualität von Feuerwaffen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa nachhaltigst beeinflusst. Deshalb verwundert es nicht, dass das von Cazamajou und Bouny entworfenen Pistolenmodell für die Garde du Corps sehr stark den „vornehmen“, wenig militärisch anmutenden Waffen ähnelte, welche diese in ihrer Versailler Zeit kennengelernt hatten und die in starkem Maße dem von Boutet propagierten künstlerischen Stil entsprachen.


Fertigung in Maubeuge

Gefertigt wurden die Pistolen für die Garde du Corps jedoch ungewöhnlicherweise nicht in Versailles, sondern in der Manufaktur Maubeuge. Die Manufaktur Versailles, welche ausschließlich an der Fertigung von Luxuswaffen in kleinster Stückzahl arbeitete, war zu einer wie auch immer gearteten Serienfertigung nicht eingerichtet, auch fehlte dort das dazu erforderliche Personal.

In Maubeuge sind währen der ersten Restauration ab ca. Mai 1814 bis zur unvorhergesehenen Rückkehr Napoleons aus Elba und dessen Ankunft in Paris am 20 März 1815 insgesamt nur 123 Paare der Garde du Corps-Pistole hergestellt worden. Mehr Waffen dieses aufwändigen Typs zu fertigen war in der zur Verfügung stehenden Zeit von nur knapp neun Monaten offensichtlich nicht möglich gewesen. Diese recht kleine Produktionsmenge spricht, gemessen an den sonst hohen Herstellungszahlen, die man aus der Manufaktur Maubeuge kennt, zum einen für die sehr aufwändige und zeitintensive Arbeit, die in die Arbeit an der Garde du Corps-Pistole investierte werden musste, zum andern aber auch für den hohen Leistungsstandart der Facharbeiter in Maubeuge. Für die solch aufwändige Detailarbeit eigentlich nicht zum Alltäglichen gehörte.

Erst nachdem Napoleon nach der Schlacht von Waterloo von den Siegern endgültig zur Abdankung gezwungen und als Gefangener nach St.Helena verbracht worden war, folgte währen der zweiten Restauration im selben Jahr nochmals eine Fertigung von insgesamt 337 Paaren der im Jahr zuvor normierten Garde du Corps-Pistole in der Manufaktur Maubeuge. Die Gesamtfertigung belief sich damit auf lediglich 460 Paare. Äußerliche Unterschiede von erster zu zweiter Fertigung sind nicht festzustellen. Einzig die manchmal an der Laufunterseite eingeschlagenen Baujahre geben darüber Auskunft, welcher der beiden Perioden die einzelne Waffe zuzuschreiben ist.



Geschichte Techn. Daten Bestempelung Literatur Zum Anfang