Die Husarenpistole M 1827 des Kurfürstentums Hessen-Kassel


Geschichte


Text Udo Lander

Bei der Erarbeitung des Artikels über die kurhessische Husarenpistole M 1827/45UM hätte eigentlich das Ausgangsmodell der Umänderungsvariante mit eingearbeitet, bzw. vorgestellt werden müssen. Dies war jedoch nicht möglich, weil ein entsprechendes Objekt in der originalen Steinschlossversion nicht zur Verfügung stand, ja bis dato nicht einmal bekannt war. Jetzt aber kann dies, ohne dass ich nochmals umfänglich auf die Entstehungsgeschichte dieser Waffe eingehe, nachgeholt werden.

Hintergründe

Nach dem Untergang der Grande Armée in Russland 1812 war der hessische Kurfürst Wilhelm I. im November 1813 aus dem Exil zurückgekehrt und hatte noch im selben Jahr mit dem Wiederaufbau seiner Armee begonnen, die dann mit annähernd 24.000 Mann auf Seiten der Alliierten gegen Napoleon zu Felde zog und nach dem Sieg bei Waterloo und der Gründung des Deutschen Bundes 1815 Mitglied der Bundesarmee wurde.

Husarenpistole M 1827

Gesamtlänge 340mm

Lauflänge 199mm

Schlosslänge 127mm

Kaliber des glatten Laufs 17,46mm

Gewicht 1181g

Nussbaumvollschaft mit Messingbeschlägen, bestehend aus zweifach von innen verschraubter, typisch kurhessischer Vorderschaftkappe, Abzugsbügel mit Einhakmontage, Kolbenkappe mit voll drehbarer, eiserner Riemenöse und s-förmigem, gewölbtem Schlossgegenblech. Steinschloss M an 13 mit gegossener Messingpfanne und gewölbtem Herzhahn.. Untere und obere Kolbenschiene aus Eisen. Längliches, relativ niederes Messingkorn auf dem Lauf, keine Kimme. Lauf/Schaft-Verbindung durch Kreuzschraube und einen Laufstift durch den Vorderschaft. Herstellersignatur „Manufacture Impériale de St. Etienne““ auf der Schlossplatte, französischer Kontrollstempel „S“ in Raute auf dem Schlossblech. Modellbezeichnung „M AN 13“ schwach auf dem Schwanzschraubenblatt. Fertigungsjahr „1812“ schwach am Lauf oben links. Truppenstempelung „1H 3E 45“ = 1. Husaren-Regiment, 3. Escadron, Pistole N°45 an der Schaftunterseite.

Dies ist die zweite bis heute aufgetauchte Pistole dieser Art und wie die erste Waffe gehörte sie ursprünglich ebenfalls zum 1. kurhessischen Husaren-Regiment.

Wie die Stempelung an der Waffe zeigt, handelt es sich hier nicht um ein Erzeugnis der Schmalkalder Firma Pistor, sondern um eine ehemals französische Kavalleriepistole M an 13 aus der Manufaktur St. Etienne des Jahres 1812 und hatte ursprünglich einen Halbschaft mit Ladestocknut. Da die kurhessische Pistole aber einen Vollschaft und keinen am Halbschaft angesetzten Vorderschaft besitzt, wie dies bei der anderen Pistole der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Waffe völlig neu geschäftet wurde.

Gemäß der 1821 aufgestellten Forderungen des Deutschen Bundes an seine Mitglieder bezüglich deren im Kriegsfall zur Bundesarmee zu stellenden Kontingente hatte das Kurfürstentum insgesamt 5.679 Mann zur Bundesarmee stellen. 811 Mann davon waren gemäß einer Gliederung von 1821 im Bereich der berittenen Truppen auf ein Kürassier- und ein Dragoner-Regiment verteilt. Diese kurhessischen Kavallerieregimenter, beide 1821 in Husaren-Regimenter umformiert, führten die aus der Franzosenzeit überkommenen Karabiner M an 9 und die Steinschlosspistole M an 13, beide einerseits aus der Fertigung französischer Manufakturen, andererseits aber auch produziert in der Gewehrfabrik Pistor in Schmalkalden.

Preußische Vorbilder

Der junge Kurfürst hatte 1813 in den Reihen der preußischen Armee an der Völkerschlacht bei Leipzig teilgenommen. Er hatte also aus eigener Anschauung das preußische Ladesystem bei den Kavalleriewaffen mit separat am Bandelier getragenem und für Karabiner und Pistole gleichermaßen verwendetem Ladestock kennengelernt.

So verwundert es nicht, dass Wilhelm II. nachdem er im Jahr 1814 den Oberbefehl über die kurfürstlichen Truppen übernommen hatte, dafür sorgte, dass die noch bei der Armee vorhandenen Kavalleriefeuerwaffen aus der westfälisch/französischen Zeit, Karabiner M an 9 und Pistole M an 13, auf das preußische Ladestocksystem umgebaut wurden.

Er ordnete deshalb 1827 an, dass die bei der Kavallerie vorhandenen Karabiner durch Abschneiden der Läufe zu kürzen und die Ladestocköffnung am Oberring auf Dauer zu verschließen waren. Darüber hinaus sollten die ehemals französischen Pistolen M an 13, ob von Pistor oder aus französischer Produktion stammend , war unerheblich, mit bis zur Mündung reichenden Schäften versehen werden. Vorbilder dafür waren offensichtlich der preußische Karabiner M 1821 und die Kavalleriepistole M 1823. Für einen großen Teil der vorhandenen Pistolen M an 13, deren Halbschäfte wegen der langen Verwendungszeit schon recht mitgenommen waren, hieß das, dass diese einen völlig neuen bis zur Mündung reichenden Schaft erhielten. Die französischen Messing-Beschlagteile blieben dabei jedoch mit Ausnahme des charakteristischen Laufrings erhalten. Dieser entfiel gänzlich und wurde durch eine Mündungskappe aus Messing ersetzt.

Aus Halb wird Ganz

Während bei einer ganzen Reihe von gut erhaltenen Steinschlosspistolen die kurfürstliche Anordnung offensichtlich so umgesetzt wurde, dass man dem Halbschaft des an13-Modells einen Vorderschaft ansetzte, der nun ebenfalls bis zur Mündung reichte, wurden Pistolen, deren Halbschäfte zu schlecht waren, gänzlich neu geschäftet.

Ob diese Änderungsarbeiten in Schmalkalden bei der Gewehrfabrik Pistor oder von den Arbeitern des Zeughauses in Kassel durchgeführt wurden, ist an Hand der Aktenlage leider nicht eindeutig festzustellen. Doch sprechen zwei Dinge für eine Fertigung bei Pistor:

Zum einen besaß der Schmalkaldener Betrieb seit 1745 ein hochherrschaftliches Privileg zur alleinigen Fertigung von Militärwaffen für das kurhessische Militär, welches 1824 erneuert worden war. Zum anderen spricht der Umstand, dass für diese Umänderungen eine große Anzahl von Vorderschaftkappen aus Messing zu gießen und die dazu erforderlichen Schrauben für deren Befestigung am Vorderschaft zu fertigen waren, doch eher für eine Auftragsausführung durch die Firma Pistor.

Glücksfall

In dieser neuen Form blieben die Pistolen M 1827 bis zu ihrer Perkussionierung ab 1846. Die hier vorgestellte Waffe gehörte zumindest seit ihrer Neuschäftung zum Bestand der 3 Eskadron des 1. kurhessischen Husaren-Regiments. Warum sie der Perkussionierungswelle ab 1845 entkommen ist und sich somit im Urzustand als Steinschlosswaffe erhalten hat, ist nicht ergründbar: Ein qualitativer Mangel, welcher eine Modernisierung als nicht lohnend erscheinen ließ, ist nicht erkennbar, ein Verlust durch kriegerische Ereignisse nicht plausibel. Denkbar ist, dass die Pistole im Zuge der revolutionären Unruhen des Jahres 1848 aus dem Kasseler Zeughaus entwendet worden ist. Allein die Tatsache ihrer Existenz muss jedoch als Glücksfall gewertet werden.



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